Das Erasmus Milieu

Durch den Sprachkurs war es eigentlich vorprogrammiert: Im Laufe der vergangenen Woche habe ich sicher einen guten Teil der hier am Campus wohnenden „Erasmus-Studenten“ kennengelernt. Unter dieser Bezeichnung werden üblicherweise alle ausländischen Studenten, die sich zwischen 5 und 18 Monaten hier aufhalten zusammengefasst, also auch die nicht vernachlässigbare Zahl derer, die das gleichnamige Stipendium nicht beziehen. Aufgrund der Nähe ihrer Landesgrenze übertrifft die Zahl der Spanier hier die aller anderen Nationalitäten deutlich. An zweiter Stelle rangieren Italien und Deutschland ungefähr gleichauf. Außerdem wäre es auch kein Problem sich hier Englisch (auch mit „Muttersprachlern“), Belgisch, Tschechisch oder Griechisch zu unterhalten. Gemeinsamer Nenner ist aber meistens dann doch das Französische, wenn auch in den bizarrsten Färbungen. Und trotz der unterschiedlichen Sprachen, großen Altersunterschieden und bunt gemischten Studienrichtungen entsteht hier ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das durch Aktivitäten wie Sprachkurse, Erasmus-Parties und organisierte Ausflüge gefördet wird.

Da der Sprachkurs die ganze Woche über Vormittags stattgefunden hat, verzichte ich auf eine chronologische Gliederung. Spätestens nach der ersten Stunde des Kurses war klar, dass es sich um eine recht unkonventionelle Lerhveranstalung handelt. Serge, der Kursleiter halbspanischer Abstammung und mit einem Hang zur russischen Sprache, entsprach mit seinem Unterricht gänzlich dem Titel des Kurses, der uns jedoch nicht bekannt war und erst später, als wir das Kursprogramm des FLE (Français Langue Etrangère) Instituts bekamen, klar wurde. Es handelte sich um einen stark multimedial unterstützen Versuch, bei uns erst einmal „das Eis zu brechen“ und uns zum Sprechen zu motivieren. Etwas anderes wäre bei den so unterschiedlichen der Teilnehmer auch wenig sinnvoll gewesen. Wenn während der Konversation ein manchen unbekanntes Wort auftauchte, und das geschah alle paar Minuten, gab Serge sein Bestes, den Sinn des neuen Wortes mit Händen und Füssen, wenn nötig gackernd, aufzuklären. Alternativ konsultierte er, der Unterricht geschah nämlich gänzlich via Beamer und mittels seines zu diesem Zweck selbst entwickelten Programms, die Bildersuche von Google. So kamen wir zum Beispiel in den Genuss einer ganzen Galerie von Paellas, weil sich die Erklärung der Zusammensetzung dieses spanischen Gerichts den schauspielerischen Möglichkeiten von Serge entzog. Zu seiner Verteidugung muss ich sagen, dass im Zuge dieser Erklärung auch durchaus wichtigere Vokabel als „Paella“ zur Sprache kamen. Ein anderes Mal sollten wir aus einer Sammlung von kurzen Dokumentarfilmen eines auswählen um dann den Inhalt vor der Klasse mündlich zusammenzufassen. In Erinnerung geblieben ist mir auch die Entschlüsselung eines Chansons von Jaques Brel. Jedenfalls waren die Vormittage sehr kurzweilig und es war leicht konzentriert mitzuarbeiten ohne stark überfordert zu sein.

Am Dienstag habe ich an einer Probe des hiesigen Studentenorchesters teilgenommen, welchem jedoch auch eine nicht kleine Zahl von Junggebliebenen angehört. Geprobt wurde die erste Symphonie von Brahms sowie die Overture aus der Zauberflöte. Das Niveau liegt, wenn ich das nach einer Probe richtig beurteilen kann, deutlich unter dem in Wien für ähnliche Orchester üblichen. Ich wurde herzlich aufgenommen und habe ab sofort einen Fixtermin am Dienstag Abend.

Wie ich von meinem Wiener Kollegen hier erfahren habe, findet in der Kirche des Musée des Augustins, von dem ich letzte Woche ja ausführlich geschwärmt habe, jeden Mittwoch Abend ein kleines Orgelkonzert bei für Studenten freiem Eintritt statt. Die erste Kostprobe hatte ich bereits und der Weg in die Stadt lohnt sich.

Da diese Woche das Wetter hier sehr häufig schlecht war, habe ich auch viel Zeit in meinem Kämmerlein verbracht um mich wieder etwas mit der Quantenmechanik und ihrem französischen Vokabular vertraut zu machen. Leider ist es manchmal recht laut, aber da ich oft selbst geigespielender Weise Lärmquelle bin, habe ich mich der toleranten Haltung der Nachbarn angeschlossen.

Kommende Woche finden schon die Vorbesprechungen der Physikkurse statt und in der Woche darauf beginnt dann der reguläre Unterricht. Am Dienstag werde ich einen Einstufungstest machen, um dann ab Mitte Oktober weitere Französischkurse hier besuchen zu können, soweit es mein Stundenplan zulässt.

Und mit dieser kleinen Vorschau bin ich wieder beim:
bis zum nächsten Mal lieber Blog

Fotoalbum

Dernier le Capitole

Aufgrund der Nachfrage habe ich heute einige Zeit darauf verwendet, mir eine brauchbare Möglichkeit zum Publizieren meiner Fotos zu schaffen. Leider habe ich mit dieser Ausnahme noch keines Beschriftet oder kommentiert. Aber das werde ich vielleicht diese Woche noch schaffen.

Ihr findet mein komplettes Album unter folgender Adresse:
http://flickr.com/photos/fabiamo/sets/

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Annäherung an Toulouse

Hier kann das Wort Annäherung auch als Gewöhnung gelesen werden, jedoch wollte ich den etwas stumpfen Beigeschmack in der Überschrift vermeiden. Allerdings muss bei der Annäherung dazu gesagt werden, dass sie tatsächlich beiderseitig stattgefunden hat. Im Gegenteil ist mir mein Aufenthalt hier ohne mein Zutun gleich letzten Sonntagnachmittag dadurch erleichtert worden, dass ich von einer kleinen Gruppe deutscher Heimnachbarn zum gemeinsamen Kicken eingeladen wurde. Ein wenig Kontakt zu anderen Studenten ohne bei jedem Wort eine mehr oder minder hohe grammatikalische Hürde nehmen zu müssen, wenn einem nicht sowieso die richtigen Worte fehlen, tut sehr gut. Gegner im Spiel waren bezeichnender Weise eine Grupper arabisch sprechender Studenten.

Am Montag habe ich wie angekündigt mit dem ersten Tag des im französischen Reiseführer empfohlenen Programm für drei bis fünf Tage begonnen um auch meinen Teil der Annäherung zu erfüllen. Gemeinsam mit Rafael, einem Fachkollegen aus München, habe ich den nun schon vertrauteren Bus ins Stadtzentrum genommen. Der Platz vor dem Capitole, auf dem die Sicht diesmal nicht von einem Bühnengerüst eingeschränkt wurde, erstrahlte in dem für die Stadt typischen Ziegelrot. Nachdem die Fotoapparate wieder verstaut waren machten wir uns auf den umgekehrten Weg, den laut Anschlagtafel der Märtyrer Saturnin an einen Stier gebunden genommen hatte, und kamen durch die Rue de Taur zur Basilika Saint-Sernin. Der Besichtigung dieser damals hauptsächlich für die Wallfahrer nach Saint-Jacques-de-Compostelle errichtete Basilika schlossen wir direkt den Besuch im benachbarten Musée Saint-Raymond an, wo wir gründlich über die Geschichte des römischen Tolosa aufgeklärt und mit zahlreichen Beweisstücken für diese Geschichte konfrontiert wurden.

Im äußerst netten Park hinter dem Capitole machten wir schließlich Mittagspause und besichtigten dann noch das Innere des im Capitole untergebrachten Rathauses. Da unsere vom Fussballspiel des Vortags schon etwas mitgenommenen weil untrainierten Beine sich langsam sträubten kehrten wir nach ein paar kleineren Einkäufen Heim ohne das gesamte Programm absolviert zu haben und vertösteten das noch usständige Musée du Vieux Toulouse in Gedanken auf einen der weit mehr als fünf noch vor uns liegenden Tage in dieser Stadt.

Am Dienstag war das Wetter zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier relativ trüb. Der Grund dafür war klar: Wir hatten vor nach Narbonne-Plage an die Mittelmeerküste zu fahren. Unbeirrt und in der Hoffnung wenn nicht Überzeugung, am Strand eine positive Überraschung zu erleben machten wir uns zu viert mit dem Auto auf den Weg. Außer Rafael waren diesmal Pascal und Dirk sowie dessen VW Golf dabei. Nach eineinhalb Stunden Autobahn und einem kleinen Umweg trat die Ernüchterung ein: Auch hier war es bewölkt, windig und frisch. Wir hatten also das zweifelhafte Glück, uns einen Kilometer Strand mit nur etwa sechs anderen Touristen zu teilen. Platz genug zum Volleyballspiel. Nachdem über Mittag noch unsere Liegetücher eingeregnet wurden fügten wir uns schließlich und schwenkten auf Plan B um. Wir besuchten Carcassonne und zwängten uns wie jene, die bereits am Vormittag das Schlechtwetterprogramm gewählt hatten durch die engen Gassen der sehr sehenswerten kleinen Stadt im Inneren der Burg. Danach fuhren wir auf dem Heimweg noch in eines der Einkaufszentren. Hier erstand ich unter anderem meine „Eintrittkarte“ in die Seelengemeinschaft jener, die sich den Luxus gönnen, den Gang zum „stillen Örtchen“ mit der Klobrille in der Hand anzutreten um die mangelhafte Infrastruktur zumindest für die eigenen Zwecke ausreichend zu ergänzen. Am Abend habe ich zum ersten Mal von den Waschmaschinen im Keller des Studentenheims Gebrauch gemacht.

Der Mittwoch wurde wieder vom Reiseführer diktiert. Begeistert hat vor allem das Musée des Augustins. Dieses alte Kloster im Stadtkern wurde vollständig zu einem Museum umgestaltet, welches mit einer angenehm ausgesuchten Betückung und toll renovierten Räumlichkeiten sowie einem wunderschön gepflegten Klostergarten beeindruckt. Und das bei für Studenten freiem Eintritt. Manche Ansichten konnte ich auch hier auf die Speicherkarte meiner Kamera übertragen. Anschließend habe wir die Kathedrale Saint-Étienne innen und außen besichtigt. Und als wir zu Mittag am Place Saint-Georges Pause machten waren wir uns einig, einen der schönsten und gemütlichsten Orte in Toulouse entdeckt zu haben. Am Nachmittag habe ich mir ein französisches Studentenkonte eröffnet mit dem einzigen Zweck hier eventuell die Wohnbeihilfe für Studenten beziehen zu können.

Am Donnerstag konnte ich mir die Studentenkarte für die hiesigen Öffis besorgen, was meine zahlreichen Busfahrten jetzt deutlich leistbarer macht. Außerdem habe ich es auf die Warteliste der Anwärter für ein renoviertes Zimmer geschafft. Mit einer gehörigen Portion Glück könnte ich also in den nächsten Monaten noch in ein Zimmer mit Dusche, WC, Kühlschrank und Kochstelle übersiedeln. Versprochen wurde jedoch nichts. Schließlich habe ich mir noch für zehn Euro eine Konzertkarte für denselben Abend besorgt, für ein Konzert bei dem angeblich das Studentenorchster mitwirken sollte. Das Konzert war sehr schön, vor allem das gegebene Violinkonzert von Tschaikowski war ausgesprochen kurzweilig. Die Mitglieder aus dem Studentenorchester haben aber allem Anschein nach höchstens während der folgenden ersten Symphonie von Brahms das Orchestre National du Capitole de Toulouse verstärkt.

Freitags konnte ich endlich jenen französischen Studienkollegen treffen, bei dem mein Wiener Vorgänger hier in Toulouse zu Beginn der Sommerferien sein altes Fahrrad und einige andere Luxusgegenstände für mich hinterlegt hat. Gemeinsam haben wir auch in der Mensa zu Mittag gegessen, wo ich bei meinem damit dritten Besuch zum ersten Mal von dem Gebotenen positiv überrascht wurde. Am Nachmittag habe ich mich an ein französisches Lehrbuch über Quantenmechanik gewagt, was ein ziemlich mühsames Unterfangen war. Auch wenn ich den Stoff schon kenne und auch die entsprechende Prüfung schon in Wien gemacht habe, so hoffe ich gerade deshalb auf diesem Weg mir das Fachvokabular für die im Oktober folgende Fortsetzung am effektivsten erschließen zu können. Wie jeden der vergangenen Tag bin ich auch wieder zum Geigespielen gekommen.

Gestern hat es den ganzen Tag geregnet, was bedeutet, dass es wirklich zu keiner Minute ausgesetzt hat. Das war aber leicht vorherzusehen, denn gestern fuhr ich ja auf einen ganztägigen Ausflug nach Lisle sur Tarn. Diese äußerst adrette Ortschaft oder kleine Stadt liegt auf halbem Weg zwischen Toulouse und Albi und ist scheinbar ein Paradebeispiel für jenen Typ Stadt, der im 13. Jahrhundert massiv dahingehen restrukturiert wurde, dass die Kirche aus dem Zentrum und die Händler ins Zentrum verlegt wurden. Ich habe versucht den Führungen die zum Ausflug gehörten so gut es ging zu folgen, konnte jedoch
immer nur Teile verstehen. Zum Programm gehörte außerdem eine Weinverkostung und der Besuch eines Bauern, der sich in einem acht Hektar großen Gehege eine Herde Hirsche hält. Fotos habe ich so gut wie keine gemacht, da ich die Kamera ungern aus dem schützenden Plastiksackerl geholt habe, das sie in dem nach einem halben Tag völlig duchnässten Rucksack vor dem Schlimmsten bewahrt hat.

Am Montag beginnt endlich mein Sprachkurs und am Dienstag werde ich vermutlich eine Probe des Studentenorchesters besuchen um mich über das Aufnahmeverfahren zu informieren oder gleich mitzumachen; wer weiß.

Ich wünsche euch allen eine schöne Woche und schließe wieder mit den Worten:
bis zum nächsten Mal lieber Blog.

Willkommen in Toulouse

Manche haben es mitbekommen, anderen habe ich es selbst erzählt, aber alle die das jetzt lesen haben ja anscheinend irgendwie davon erfahren: Ich bin jetzt in Toulouse. Und zwar nicht erst jetzt, sondern schon seit sechs Tagen. Und da zwar alle richtig vermuten, dass Toulouse in Frankreich ist, aber vielleicht nur wenige eine Vorstellung davon haben, wo in Frankreich sei folgendes gesagt: Ja, Toulouse liegt in Südfrankreich und nein, es liegt nicht an der Küste. Statt dessen ist es die Hauptstadt der Region „Midi-Pyrénées“ und als solche ist die Entfernung zur spanische Grenze kleiner als die zu einer der beiden Küsten. Wenn man jetzt den Atlas aufschlägt stellt man fest, dass Toulouse auf demselben Breitengrad wie Bologna liegt. Als ich letzten Montag (4. September) am späten Abend ankam, hat der Pilot eine Außentemperatur von 30°C durchgesagt. Tagsüber wird es etwas wärmer, du ich jedoch kein Radio habe, kann ich nur von gefühlten Temperaturen sprechen. Die Stadt hat 427.000 Einwohner, davon sind 115.000 Studenten. Ich bin also zumindest in üppiger Gesellschaft.

Da diese Généralités nun geklärt sind, ein paar Worte zu den bereits verstrichenen Tagen: Die Schlüssel zu einem Zimmer habe ich montag Abends vom Nachtwächter glücklicherweise noch bekommen, nur leider nicht zu dem für mich reservierten. Am Dienstag musste ich also nachdem ich mich im Büro für auswertige Angelegenheiten mit der falschen Zimmernummer als angekommen gemeldet hatte und mich anschickte die erste Miete im Sekretariat des Studentenheims zu bezahlen feststellen, dass für mich ein Zimmer ohne Telefonleitung und Internetzugang vorgesehen war. Da ich kaum ausgepackt hatte, war die Übersiedlung dann auch noch kein Problem. Schließlich habe ich mir noch die leeren Formulare zur Inskription besorgt und einen Termin für ebendiese für Mittwoch reserviert. Dazwischen, und das sollte auch die folgenden Tage noch so bleiben, plagte mich sehr die Trauer ob der Trennung von Natascha. Am späten Nachmittag habe ich noch den für mich zuständigen Erasmus Koordinator vor Ort besucht und mich über die Details des Studienprogramms näher aufklären lassen.

Am Mittwoch konnte ich mich ziemlich reibungslos inskribieren und mir eine neidisches „C’est super“ von einer der offenbar studentischen Hilfskräfte anhören, als sie mir beschied, dass meine Studiengebühren als Erasmus Student 0 ? betragen. Am Nachmittag habe ich dann an mehreren Stellen nach Wegen gefragt, doch noch ein Zimmer mit Internetanschluss zu bekommen, was leider nicht von Erfolg gekrönt war.

Die übrigen Tage habe ich damit verbracht, jene Dinge einzukaufen und zu erledigen, die für einen in Zukunft möglichst angenehmen Aufenthalt notwendig waren. Der Besuch bei IKEA am Samstag wurde zu einer regelrechten Odysee. Als ich nach 50 Minuten Wartezeit auf den entsprechenden Peripheriebus gedacht hatte, bereits das Schlimmste überstanden zu haben, konnte ich nicht ahnen, dass nach der 40 minütigen Bussfahrt mir noch die Überquerung der Autobahn und eines Kreiverkehres bevorstand. Alles versteht sich ohne Zebrastreifen und nur auf notdürftigen, vermutlich für Notfälle vorgesehenen, Fussgängerwegen. Immerhin war ich jetzt vorsichtig genug, mir die Abfahrtszeiten des im Zweistundentakt verkehrenden Busses im vorhinein anzusehen.

Für die kommende Woche plane ich, die vom „guide du routard“ vorgeschlagenen Besichtigungen und Rundgänge zu absolvieren. Für Samstag konnte ich mich bei einem ganztägigen organisierten Ausflug nach „Lisle de Taur“ anmelden und kommende Woche beginnt dann mein Sprachkurs. Davor kann ich den Blog hier aber hoffentlich wieder aktualisieren.

Also damit, bis zum nächsten Mal lieber Blog.